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Ein überraschender Bericht vom NordWest-Cup in Bad Zwischenahn

Vom 27.-30.01.11 nahmen Bernd und ich am NordWest-Cup in Bad Zwischenahn teil, einem 7-rundigen Turnier, das mittlerweile zum 13. Mal ausgetragen wurde. Das war an sich noch keine Überraschung. Die meinten wir aber auf den Gesichtern unserer Gastgeber auszumachen, als sie uns sahen. „Moment, da muss ich noch mal schauen. Sollten alle Telefonate fruchtlos gewesen sein? Hätte man zuletzt nicht mit der Oma sprechen sollen? Gab es einen Plan B?

Nach kurzer Irritation konnten wir doch noch unsere Zimmer beziehen und alsbald zum Spielort eilen. Aber typisch Kurort, Bezahlparkplätze bis zum Horizont. Als Folge dessen, sattelten wir bald auf Schusters Rappen um. Nicht überraschend war, dass wir auf dem Weg zum Spiellokal den Turniertramp Slavko K. (nebst Frau) trafen sowie im Spielsaal selbst dann noch weitere bekannte Gesichter aus dem Bezirk und darüber hinaus. Zahlreiche GM, IM und FM gaben sich zudem ein Stelldichein.

Überraschend kam das Turnier wohl auch für die ansässige Gastronomie in Form eines Cafes. Keine Hinweise auf die Getränkeversorgung, eingeschränkte Öffnungszeiten, spezifisches Schachspieler-Speisenangebot (Würstchen mit Kartoffelsalat) erst spät im Laufe des Turniers. Was hätte man hier für einen Umsatz machen können! Völlig überraschend muss es auch für den Bürgermeister gewesen sein, zu erfahren, dass 300 Schachspieler auf seine Eröffnungsansprache warten. Mit einstündiger Verspätung tauchte er plötzlich auf. Da wollte ihn aber auch keiner mehr hören und gerechterweise ging seine Rede im Tumult unter, da kurz zuvor die Spielpaarungen ausgehängt wurden.

Wenig überraschend ging die erste Runde für uns aus. Beide mit Schwarz spielend mussten wir brav unsere Punkte an unsere spielstärkeren Gegner abgeben, Bernd im Franzosen, ich im Engländer.

Nach dem ernüchternden Auftakt ging es am nächsten Morgen mit Weiß für uns weiter. Bernd zeigte seinem Gegner, dass Pirc-Ufimzew „keine vollwertige Eröffnung“ ist, auf die man sich auch nicht vorzubereiten braucht. Nachdem sein Gegner in den Seilen zappelnd um Remis winselt nimmt Bernd aber an. Großes Fragezeichen. Ich darf meinem Gegner im Grünfeld-Inder die Vorzüge meiner Variantenwahl demonstrieren, verpasse aber im Mittelspiel den Elfmeter. Zum Endspiel, durchaus noch vorteilhaft für mich, bekomme ich kalte Füße und gebe Remis. Diese Runde hinterläßt für uns beide einen schalen Beigeschmack, zweimal den Sieg verschenkt.

In der Nachmittagspartie, beide wieder mit Schwarz, bekomme ich Bernds Gegner vom Vormittag. Unglaublicher Druck. Wenn Bernd gegen den punktet, muss ich auch. Mein Gegner spielt Colle, ich Damenindisch, irgendwo in der Mitte treffen wir uns. Ich quäl' mich durch die Eröffnung, kann mich schließlich befreien. Nachdem mein Gegner eine Kombi in den Sand gesetzt hat, können wir uns auf Remis einigen. Bernd erlebt seine traumatischste Partie. Im Dameninder können sich beide Kontrahenten lange nicht auf den größten Schnitzer einigen. Das Spiel wogt hin und her. Die Zuschauer sind fasziniert und betroffen zugleich. Dann schließlich vergibt auch Bernd seinen Elfmeter und man kommt im ausgeglichenen Endspiel an. Aber beide wollen es wissen und Bernd läuft in eine Springergabel. Das war's.

Neuer Tag, neues Glück. Das Training mit Marine zahlt sich aus. Mit Weiß kann ich gegen den Slawen die Bogoljubow-Falle anwenden. Leider verpasse ich es, den gewonnenen Bauern auch ganz einfach mitzunehmen. Trotzdem stehe ich besser, aber im Laufe der Partie verflüchtigt sich der Vorteil langsam, aber sicher, in ein remises Endspiel. Schon wieder einen halben Punkt verschenkt. Bernd, noch einmal mit Schwarz, sieht im Colle eine tolle Kombination ... leider mit einem riesigen Loch. Der volle Punkt wandert wieder ab. Wenig überraschend drückt dies auf seine Stimmung.

Die nächste Runde. Bernd kann wieder lachen. Sein jugendlicher Gegner verliert im Sizilianer erst die Figur und dann die Partie. Ich darf mit Schwarz wieder gegen Englisch ran, spiele lust- und planlos. Genauso endet dann auch die Partie. Mein Gegner, ein russischer Opi, hat nach der Partie noch Klärungsbedarf. Blick auf Spielformular. „Wie isst Vorrname?“ „Jörg.“ „Jörrg?“ „Ja, Jörg.“ „Jörrg.

Letzter Tag. Eine gewisse Turniermüdigkeit macht sich breit. Bernd darf mit Weiß seine Künste gegen Philidor zeigen. Sein Gegner findet jedoch, dass er sich heute nicht so fühle und bietet Remis an. Ein leicht verdienter halber Punkt. Andere müssen sich da mehr quälen. Zum Beispiel ich. Wieder Schwarz und schon wieder Englisch. Ich mag nicht mehr und stelle mein Konzept um. Und es läuft, mein Gegner überzieht und ich kann den Bann endlich brechen. Ein voller Punkt. Eröffnungtheoretisch läuft das Ganze zwar nach Zugumstellung unter Caro-Kann, aber was soll's.

In der Pause treffe ich den russischen Opi wieder. „Ahh, Vorrname isst Jörrg?“ „Ja, Jörg.“ „Jörrg?“ „Jörg.“ „Jörrg, wie bei Shakespear!“ „Häh?

Letzte Runde. Ich darf noch einmal mit Weiß den Grünfeld-Inder spielen und komme wieder gut aus der Eröffnung. Im Mittelspiel verrechne ich mich leider bei einem Abspiel und verliere einen Bauern bei gleichzeitig unhaltbarer Stellung. Mein Gegner braucht aber noch eine Stunde bis ich endlich hinschmeißen kann. Bernds Gegner findet in seinem Königsfianchettoaufbau ebenfalls zielgenau den Verlustzug und so kann Bernd zum Abschluss noch einen Punkt einheimsen.

Mit 2,5 Punkten gegen Gegnerschnitt von 1787, kann ich leicht DWZ und Elo hinzugewinnen und kann wohl zufrieden sein. Zwei halbe Punkte liegen gelassen, das ist ärgerlich. Bernd musste mit 3 Punkten gegen Schnitt 1685 sogar leicht DWZ-Punkte abgeben, macht aber gleichzeitig ebenfalls ein Elo-Plus. Ich denke mal, dass er damit gut leben kann. Oder? Ach ja, der für Hermannsburg antretende Slavko K. hat im BTurnier mit 5 aus 7 den 9. Platz belegt.

Positiv hervorzuheben ist noch die Lage des Spiellokals direkt am Zwischenahner Meer sowie die reichhaltige gastronomische Versorgung im Ort selbst. Empfohlen werden kann ein Besuch im Ammerländer Spezialitätengeschäft. Ein Traum für Mettwurst- und Schinkenliebhaber.

Wenig überraschen sollte zum Abschluss, dass der Besuch des 13. NordWest-Cups (trotz kleiner Einschränkungen) insgesamt als gelungen bezeichnet werden kann.

Jörg Winter / 07.02.11

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